Das Leben geniessen lernen

Kapitel 3 einer ALS-Geschichte – heute mit Valentin und Matthias Arn, deren Vater Manuel seit über zehn Jahren mit der unheilbaren Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) lebt. Wie die beiden jungen Männer ihren Vater sehen und was er ihnen wünscht.

Manuel Arn aus Biel hat zwei Söhne. Als ihrem Vater ALS diagnostiziert wird, sind sie Kinder und kaum in der Lage, zu erfassen, dass ihr Vater eine unheilbare Nervenkrankheit hat, welche die Lebenserwartung der meisten Betroffenen auf wenige Jahre senkt.

Trotzdem glücklich Das war im Jahr 2014, und heute, elf Jahre später, sind Valentin und Matthias junge Männer, die ihren Papa immer noch an ihrer Seite haben. Trotz der Einschränkungen, die ihm seine Krankheit auferlegt, sehen sie in ihm vor allem einen lebensfrohen, einfühlsamen Menschen mit unglaublichem Willen: «Ich kenne niemand, der so glücklich durchs Leben geht wie mein Papa», sagt etwa Matthias, der jüngere der beiden Brüder. Und auf die Frage, mit welchen drei Worten er seinen Vater skizzieren würde, sagt sein älterer Bruder Valentin: «Lebenswille, Hilfsbereitschaft und Einfühlsamkeit»

Strategie und Intuition Matthias fällt auf, dass sein Vater regelmässig im «4 gewinnt» siegt. Ein Spiel, bei welchem ein einziger Fehler sofort über Sieg und Niederlage entscheiden kann. Und auch im Schach, wo es nebst Strategie auch auf Intuition und langfristiges Denken ankommt, sei sein Vater ein starker Gegner. Gemeinsame Spiele sind immer noch möglich, andere Aktivitäten kaum mehr, wie Valentin erklärt: «Zusammen in die Ferien, das ist schwierig, weil wir ein Hotel brauchen, das barrierefrei ist»

Das Leben geniessen lernen Valentin, der Ältere ist in der Ausbildung zum Zimmermann und hat drei der vier Jahre seiner Berufslehre geschafft, Matthias lässt sich zum Restaurationsfachmann ausbilden und hat das erste Lehrjahr hinter sich. Beide sind sie sportlich – Valentin spielt Unihockey, Matthias fährt Motorrad – und pflegen ihre Freundschaften. Nach ihren Berufsausbildungen steht den beiden jungen Männern die Rekrutenschule bevor und dann soll es auf eine Australienreise mit der Patchworkfamilie gehen: «Sie sollen lernen, das Leben zu geniessen», sagt ihr Vater.

Besser mit der Zeit Das Leben mit einem Vater, der unheilbar krank ist, habe ihn etwas Wichtiges gelehrt, sagt Valentin: «Ich schätze die Zeit, die wir zusammen haben» Und er habe gelernt, sich nicht über Kleinigkeiten zu beschweren, die ihm gerade nicht passten. Sie würden viel zusammen kochen und manchmal miteinander ins Restaurant gehen. Sein jüngerer Bruder erinnert sich an die Zeit, als er 6-jährig war und sein Vater die ALS-Diagnose bekam: «Ich wusste nicht, was das für mich bedeutet. Es wurde mit der Zeit besser, aber anfangs war es schwierig, damit umzugehen.» Anderen Söhnen und Töchtern von ALS-Betroffenen möchte er mitgeben, dass es in jedem Leben Sachen gebe, die man nicht ändern könne. Darum solle man das Beste daraus machen; mit einem Lächeln durch die Welt gehen. Ganz, wie es sein Vater macht, der trotz seiner Krankheit immer das Positive sieht.

ALS Schweiz Die Patientenorganisation unterstützt Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und ihre Angehörigen seit dem Jahr 2007 mit einer Vielzahl von Angeboten:

  • Hilfsmittel-Leihservice
  • Sozialberatung, psychologische Begleitung und Beratung zur Wohnsituation
  • Direkthilfe in finanzieller Notlage
  • Physische und virtuelle Austauschtreffen
  • Vernetzung und Schulung von Fachpersonen
  • Ferienwoche und Tagesausflüge für Betroffene und Angehörige

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) Die unheilbare Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems führt in kurzer Zeit zu Lähmungen am ganzen Körper, vermindert die Lebenserwartung zumeist drastisch und wirkt sich in vielen Fällen auf die Kognition aus. In der Schweiz sind etwa 600 Menschen von ALS betroffen, weltweit ungefähr 400’000. Die Krankheit bricht meistens in der Lebensmitte aus, etwas häufiger bei Männern als bei Frauen.