Eine Ode an die Freude
Teil 4 einer Geschichte über Manuel Arn in fünf Kapiteln – heute über seine Liebe zur Musik. «Das Singen war existenziell für mich», sagt Manuel Arn. Er ist Anfang Vierzig, als ihm ALS diagnostiziert wird, eine unheilbare Krankheit. Das war vor über zehn Jahren. Singen kann er heute nicht mehr, die Krankheit hat ihm die Kraft für seine Tenorstimme genommen. Diese Schwingungen in sich wahrzunehmen, das habe ihm sehr viel bedeutet, erinnert er sich: «Ich habe stark darunter gelitten, das zu verlieren», sagt Manuel Arn.
Freude als Lebensmotto Doch trotz dieses Verlustes ist Manuel Arn dankbar um die Entdeckung dieser Kraft in sich. Er denke oft daran, wer er wohl sein würde, heute, hätte er das Singen nie kennengelernt. Mit seiner Dankbarkeit ist auch die Liebe zum Gesang geblieben. So besuchte er eine Aufführung der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven im Luzerner KKL. Wegen dem Chorfinale «Freude schöner Götterfunken». Denn die Freude, sagt Manuel Arn, sei sein Lebensmotto: «In der Empfindung von Freude erlebe ich viel Sinn fürs Leben», erklärt er. Dafür wolle er sich immer wieder bedanken, dass er der Freude begegne.
Komponist verliert Gehör Beethoven selbst konnte die Première seines Œuvres nicht mehr hören. Er war nahezu gehörlos bei der Erstaufführung. Seinen beiden Brüdern schrieb der Komponist, er getraue sich nicht mehr unter die Leute: «Nahe ich mich einer Gesellschaft, so überfällt mich eine heisse Ängstlichkeit, indem ich befürchte in Gefahr gesetzt zu werden, meine[n] Zustand merken zu lassen.» Paradoxerweise feiert «die Neunte» das Gegenteil, nämlich die Einheit aller Menschen und sie wurde zu einem universellen Symbol für Frieden und Freiheit.
Vor aller Augen Beethoven verlor sein Gehör, Manuel Arn seine Tenorstimme – beide erfahren, was es heisst, nicht mehr zu sein wie früher. Doch es liegen 200 Jahre zwischen ihnen und während sich der Komponist zurückzog, gelingt es Manuel Arn, am sozialen Leben teilzunehmen. Es liegen Welten dazwischen; war eine körperliche Behinderung zur Zeit Beethovens ein Mangel, kann heute ein Konzertbesucher im Rollstuhl an der Gemeinschaft teilhaben. Und während Beethoven klagte, «so lange schon ist der wahren Freude inniger widerhall mir fremd», legt Manuel Arn eine Atempause auf seinem Rollstuhl ein und zeigt den Sinn der «Ode an die Freude», vor aller Augen.
«Die Neunte» von Beethoven Die 9. Sinfonie in d-Moll op. 125, uraufgeführt 1824, ist die letzte vollendete Sinfonie des Komponisten Ludwig van Beethoven. Am 2. Januar 2025 führte das Mailänder Sinfonie-Orchester das Werk im KKL-Luzern auf.
ALS Schweiz Die Patientenorganisation unterstützt Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und ihre Angehörigen seit dem Jahr 2007 mit einer Vielzahl von Angeboten:
- Hilfsmittel-Leihservice
- Sozialberatung, psychologische Begleitung und Beratung zur Wohnsituation
- Direkthilfe in finanzieller Notlage
- Physische und virtuelle Austauschtreffen
- Vernetzung und Schulung von Fachpersonen
- Ferienwoche und Tagesausflüge für Betroffene und Angehörige
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) Die unheilbare Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems führt in kurzer Zeit zu Lähmungen am ganzen Körper, vermindert die Lebenserwartung zumeist drastisch und wirkt sich in vielen Fällen auf die Kognition aus. In der Schweiz sind etwa 600 Menschen von ALS betroffen, weltweit ungefähr 400’000. Die Krankheit bricht meistens in der Lebensmitte aus, etwas häufiger bei Männern als bei Frauen.



