#2 Nicolas Gloor: vorbereitet auf das Lebensende

Es ist erstaunlich, welche positive Einstellung Nicolas Gloor hat. Mit 26 wird ihm ALS diagnostiziert, eine unheilbare Nervenkrankheit, die seine Lebenserwartung auf wenige Jahre verkürzt. Natürlich sei es nicht einfach, zu akzeptieren, dass seine Tage bereits gezählt seien. Aber das seien sie für uns alle: «Jeder kann morgen schon sterben» sagt Nicolas Gloor. Er sehe es aber als Chance, zu wissen, dass sein Ende nahe sei. Denn wenn jemand unerwartet sterbe, sei sein Lebensende ebenfalls nahe gewesen, während er darauf vorbereitet sei.

Innere Kraft Er sei immer jemand gewesen, der nach dem Positiven gesucht habe, auch wenn es nicht immer rund gelaufen sei. Doch Nicolas Gloors positive Einstellung ist alles andere als ein toxisches Denken von der Art, man müsse die Dinge nur positiv sehen und schon sei man auf der Sonnenseite des Lebens. Ein solches Denken mutete zynisch an angesichts einer ALS-Diagnose. Nein, darum geht es Nicolas Gloor nicht. Natürlich finde er es schrecklich, was ihm widerfahre, ALS sei wahrscheinlich eine der schlimmsten Krankheiten, die es gebe. Vielleicht sei es einfach so, dass er diese Krankheit habe, weil er sie tragen könne. «Ich hatte diese Kraft bereits in mir, bevor ich krank wurde», sinniert er.

Wir alle müssen gehen Er hört es oft, dass die Leute erstaunt sind, wie positiv er mit seinem Schicksal umgeht. Und sie sagten ihm auch, dass sie es nicht könnten, erzählt Nicolas Gloor. Er selber hingegen findet es nichts Besonderes: «Andere würden sicher auch so wie ich reagieren», meint er. Er nutze seine Zeit bewusst, weil er wisse, dass es bald vorbei sei. «Genau weiss ich es ja auch nicht», erklärt er, «vielleicht in fünf Jahren, vielleicht in sechs Monaten» Wir alle würden einmal gehen, nicht mehr da sein, er sei einfach vorbereitet darauf. Müsse sich keine Fragen stellen; wenn er nach Norwegen verreisen wolle, verreise er eben nach Norwegen und wenn er Lust habe, seine Freunde zu sehen, sehe er seine Freunde. Fertig.

Jetzt leben Nicolas Gloor sieht sogar Vorteile in seiner schweren Krankheit: «Ich muss nicht an Morgen denken» Natürlich lebe er nicht gedankenlos, sagt er gleich darauf. Auf eine Reise zum Beispiel müsse er sich gut vorbereiten: «Ich muss viel mehr planen als früher, meine Therapien, die Unterkunft, das Essen» Aber er müsse sich kein Budget mehr machen für eine Reise, wenn er tot sei, brauche er kein Geld mehr: «Ich muss die Dinge jetzt machen»

Zur Person: Nicolas Gloor (27) ist Sozialpädagoge und 26-jährig, als ihm die unheilbare Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert wird.

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