ALS-PFLEGEFORUM IN BASEL #4

Im vierten Teil unserer Reihe mit Ursula Schneider vom St. Galler Muskelzentrum erzählt die Pflegeexpertin und Study Nurse, wie sie zum Thema ALS kam; und was sie dabei
bleiben lässt.

Wie kamen Sie zum Thema ALS? Ich arbeitete auf der Intensivstation und suchte einen geregelten Job. Das war vor fünfzehn Jahren. Von ALS hatte ich keine Ahnung, das war
nicht Bestandteil meiner Ausbildung. Ich wurde damals von Bea Goldman ins Fach eingeführt. Sie hatte sich ihr Wissen selbst angeeignet und wir handhaben es bis heute
so; vermitteln unser Wissen in der Praxis weiter. Glücklicherweise gibt es inzwischen einen Schwerpunkt Neurologie in der Ausbildung.

Warum blieben Sie so lange bei diesem Thema? Ich denke mich gern in die sehr verschiedenen Situationen der Menschen ein, die mir begegnen. Inzwischen habe ich
viel Erfahrung und hoffe, ich kann sie gut abholen. Ausserdem bin ich hier nahe an der Forschung. Wir sind hier am Muskelzentrum St. Gallen ganz von Anfang einer Studie bis
zu ihrer Publikation dabei. Das ist aussergewöhnlich in der Krankenpflege, zumal ALS eine Nische ist.

Anfang Dezember findet in Basel die grösste ALS-Pflegeveranstaltung der Welt statt,
das Allied Professionals Forum. Worauf freuen Sie sich? Es ist wie ein Clan, wie eine grosse Familie. Alle brennen dort für ALS-Patienten, ich hätte das nie für möglich
gehalten früher. Klar, auch bei anderen Krankheitsbildern sind die Fachpersonen engagiert, aber ich habe den Eindruck, bei ALS sei es besonders stark. Vielleicht, weil
es eine Randgruppe ist, weil diese Menschen kaum eine Lobby haben. Womöglich auch, weil man diese Krankheit nicht heilen kann und alle einfach das Beste für die Betroffenen
und Angehörigen rausholen will. Nicht zuletzt spielt bei ALS auch der zeitliche Faktor hinein, es ist tragisch, wie schnell diese Krankheit zum Tod führen kann. Und ALS ist
eine hochspezifische Krankheit. Entweder man bleibt dabei oder man geht wieder.

Grösste ALS-Pflegeveranstaltung der Welt
4. und 5. Dezember 2023, Allied Professionals Forum (APF), Mövenpick Hotel, 4002 Basel

> Anmeldung und weitere Infos

ALS-Pflegeforum in Basel #3

Teil drei unserer Gesprächsreihe mit Pflegeexpertin Ursula Schneider vom Muskelzentrum St. Gallen; diesmal über die Besonderheiten der Krankheit ALS und darüber, was Angehörige wissen müssen.

Was kennzeichnet die Krankheit ALS? Es ist ein «Turbo-Alterungsprozess», mit Interventionen, die eine grosse Herausforderung Betroffene, ihr Umfeld sowie Fachpersonen sind, wie zum Beispiel die Handhabung einer PEG-Sonde zur künstlichen Ernährung durch die Bauchdecke oder eine Beatmung. Nicht von ungefähr ist von der «Krankheit der 1’000 Abschiede» die Rede. Es gibt nicht viele chronisch degenerative, schwere Krankheiten, welche einen so aus dem Leben reissen wie ALS. Und die Krankheit verläuft progredient, das heisst es wird kontinuierlich schlechter, man  muss sich dauernd anpassen. Überraschenderweise zeigen Studien, dass die Betroffenen ihre Lebensqualität viel besser einschätzen, als man erwarten würde.

Und die Angehörigen? Viele sind völlig erschöpft. Nicht selten entsteht auch eine Wut auf die Krankheit. Als Angehöriger ist man oft allein mit allem und weiss, dass einem der Partner genommen wird. Am belastendsten ist es, wenn sich beim Betroffenen eine sogenannte frontotemporale Demenz ausbildet und sich die Persönlichkeit verändert. Typisch sind zum Beispiel eine Enthemmung oder ein komplettes Desinteresse am Gegenüber. Dieser Aspekt von ALS war noch vor wenigen Jahren ein Tabu. Angehörige müssen sich unbedingt Freiräume schaffen.

Was fehlt den Angehörigen? Es gibt kaum Angebote für ihre Entlastung. Ein grosses Thema sind die Nächte. Viele sind berufstätig, lagern den Partner mehrmals in der Nacht um und prüfen den Sitz der Sauerstoffmaske, wenn der Betroffene beatmet wird. Nacht für Nacht. Am Morgen wäscht zwar oft die Spitex den Betroffenen und kleidet ihn an, aber dann beginnt der Tag erst. Später muss jemand das Essen eingeben, beim Schnäuzen helfen und beim Toilettengang dabei sein. Und es gibt Betroffene, die ihre Situation partout nicht wahrhaben wollen; keine fremde Pflege zulassen und keine Hilfsmittel akzeptieren.

Die St. Galler ALS Clinic gehört zum nationalen Netzwerk neuromuskulärer Zentren Myosuisse. Was gefällt Ihnen besonders gut dort? Dass bei uns Pflege und Forschung aus einer Hand kommen. Wir sehen die Menschen von Anfang an, wenn sie noch gesund sind und den ganzen Krankheitsverlauf hindurch. Das geht einem nahe und zugleich ist es auch schön. Denn wir lernen sie und ihre Angehörigen sehr gut kennen. Und wir verstehen immer tiefer, was ALS mit den Betroffenen und den Angehörigen macht.

> Alle Infos zum Internationalen Kongress

Im Gedenken an Elisabeth Zahnd

Elisabeth Zahnd ist vierfache Mutter und 60-jährig, als sie erfährt, dass sie ALS hat. Während viele zum ersten Mal von der tödlichen Nervenkrankheit hören, wenn sie davon betroffen sind, wusste Elisabeth Zahnd, was auf sie zukommen würde. Ihr Vater war von der unheilbaren Krankheit betroffen und auch ihr Bruder.

Viele Male waren wir bei Zahnds zu Besuch und durften mit der Oltner Videocrew VJii Productions zwei Clips über ihr Schicksal mit ALS aufnehmen. Es entstanden berührende Einblicke in eine Familie, die jeden Tag neu lebt. Das Unvermeidliche klar vor Augen. In einem der beiden Clips sagt Elisabeth Zahnd, es gelte jeden Tag, Abschied zu nehmen. Bewusst.

Nun ist Elisabeth Zahnd im Alter von 65 Jahren verstorben. Wir entbieten der Trauerfamilie von ganzem Herzen unseren Wunsch, ihre Erinnerungen an gemeinsame Stunden mögen ihnen zum Trost gereichen. Wir behalten eine lebensfrohe Frau in Gedenken, die uns offen im Kreis ihrer Liebsten empfing.

Elisabeth Zahnd, 17. September 1958 bis 25. Oktober 2023

ALS-PFLEGEFORUM IN BASEL #2

Teil zwei unserer Gesprächsreihe mit Pflegeexpertin Ursula Schneider vom Muskelzentrum St. Gallen über die Krankheit ALS und das Allied Professionals Forum, der grössten Veranstaltung der Welt über Pflege und Therapie bei ALS.

ALS verläuft zumeist innert weniger Jahre tödlich, wie erleben Sie die Betroffenen? Die Diagnose ALS verändert alles; nichts bleibt, wie es war. Es ist ein schwerer Schlag für Betroffene und Angehörige. Umso erstaunlicher ist es, wie gut die Betroffenen zurechtkommen und in die neue Lebenssituation hineinwachsen. So geht der Daumen oft nach oben, wenn ich zum Beispiel Betroffene, die nicht mehr sprechen können, frage, wie es ihnen geht. Es sind meistens umtriebige Menschen, die ihr Zuhause und ihr Umfeld neu entdecken, Geborgenheit geniessen. Und auch Zeit für Natur und Kultur finden.

Wie ist es für die Angehörigen? Für sie ist es komplett anders. Oft schätzen sie die Verfassung des erkrankten Angehörigen viel schlechter ein als dieser selber. Und erleben die Progression, Tag für Tag. Wissen von der Diagnose an, dass sie zurückbleiben. Rennen dem teilweise rasanten Krankheitsverlauf hinterher und leisten sehr viel. Bei der Pflege und Betreuung, der Administration mit IV und Krankenkasse und der Organisation von Hilfsmitteln etc. Viele sind völlig erschöpft.

Was gibt beiden Seiten Kraft? Die Familie ist sehr wichtig; sie kann enorm viel tragen und ertragen. Und Freunde. In solchen Situationen kommt man darauf zurück. Pflegende Angehörige müssen sich Freiräume schaffen. Für Entlastung sorgen. Um Kraft zu tanken für den Alltag.

Was bietet Ihnen das ALS-Pflegeforum in Basel? Den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt; ich erfahre von den neusten Entwicklungen meines Fachs. Noch vor wenigen Jahren zum Beispiel war das Thema tabu, dass bei ALS auch das Gehirn betroffen sein kann. Aber viele ALS-Betroffene entwickeln eine Form von frontotemporaler Demenz und verlieren ihre Empathie. Sie merken nicht, was Angehörige leisten und fragen nicht, wie es ihnen geht. Es ist eine Veränderung der Persönlichkeit. Eine grosse Herausforderung für die Angehörigen. Heute ist das Thema auf dem Tisch. Das hilft uns, Angehörige zu unterstützen, das richtig einzuordnen. Dazu tragen Veranstaltungen wie das Allied Professionals Forum bei.

Ursula Schneider Rosinger ist Pflegeleiterin und Studienkoordinatorin am Muskelzentrum des Kantonsspitals St. Gallen

Allied Professionals Forum

Programm und Anmeldung
Early Bird vergünstigter Preis bis am 27.10.2023
Simultanübersetzung Deutsch und Französisch
Veranstaltungsort Mövenpick Hotel Basel, Aeschengraben 25, CH-4002 Basel

ALS-PFLEGEFORUM IN BASEL #1

Am 4. und 5. Dezember 2023 findet in Basel das Allied Professionals Forum (APF) statt, die weltweit grösste Veranstaltung rund um Pflege und Therapie bei ALS. Der Verein ALS Schweiz hat Pflegeexpertin Ursula Schneider vom St. Galler Muskelzentrum getroffen, die im Komitee des Pflegeforums ist.

Für wen ist das Allied Professionals Forum wichtig? Für alle Pflegefachpersonen und Therapeutinnen, die im Kontakt mit ALS-Betroffenen sind. Der Austausch auf internationalem Level kommt einem als Fachperson und auch den Betroffenen zugute. Ich erlebe das Forum immer als Weiterentwicklung. Die Wege sind kurz, man kann sich mit Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt austauschen, das ist sehr wertvoll.

Was erhoffen Sie sich vom APF? Neue Inputs in der Pflege. Man muss hier dabei sein, wenn man Bescheid wissen will. Niemand überblickt alles, das weltweit läuft. Es gibt beispielsweis Untersuchungen in Spitälern, von denen man erst erfährt, wenn sie publiziert sind. Oft geht es dort um spezifische Themen, die eines Tages einen Unterschied für ALS-Betroffene machen könnten. Hier erfährt man die relevanten Ergebnisse.

Ihr persönliches Highlight? Ganz klar der Austausch mit den anderen. Die Studienzentren zum Beispiel sind alle unterschiedlich organisiert, da nehme ich jedes Jahr etwas mit, das mir besonders auffällt. Etwas, das mich inspiriert, es auch bei uns zu versuchen. Und: mein Engagement für die Betreuung von ALS-Betroffenen wird immer aufs Neue gestärkt.

Ursula Schneider Rosinger ist Pflegeleiterin und Studienkoordinatorin am Muskelzentrum/ALS clinic des Kantonsspitals St. Gallen, kssg.ch/muskelzentrum

Allied Professionals Forum

Programm und Anmeldung
Early Bird Jetzt anmelden und bis am 27.10.2023 von einem vergünstigten Preis profitieren
Simultanübersetzung Die Beiträge des Allied Professionals Forum werden simultan auf Deutsch und Französisch übersetzt
Veranstaltungsort Mövenpick Hotel Basel, Aeschengraben 25, CH-4002 Basel

Neu: Angehörigen-Brunch

Angehörige von Menschen in schwerer Krankheit leisten Übermenschliches. Und gehen oft vergessen. Doch ihre Liebe, Fürsorge und Hingabe sind von unschätzbarem Wert und verdienen Anerkennung.

Der Verein ALS Schweiz lädt deshalb erstmals Angehörige von ALS-Betroffenen zu einem besonderen Anlass ein: einem gemütlichen Brunch. Die Idee ist, in einer lockeren Atmosphäre zusammenzukommen. Sich eine Pause zu gönnen und zu erleben, dass man nicht allein ist. Andere Menschen kennenzulernen, die wissen, wovon man redet. Und die Hoffnung ist, der Anlass vermittle ein Gefühl von Halt in einer Gemeinschaft.

Angehörigen-Brunch: Sonntag, 29. Oktober 2023, 10.30 bis 14.00 Uhr, Hotel Arte, Riggenbachstrasse 10, 4600 Olten

Anmeldung bis 20. Oktober 2023 mittels Online-Formular, per E-Mail: info@als-schweiz.ch oder telefonisch 044 887 17 20