BASEL IM FOKUS DER INTERNATIONALEN ALS-COMMUNITY

Vom 4. bis 8. Dezember 2023 findet im Congress Center Basel der weltgrösste Kongress über die tödliche Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) statt.
Erwartet werden 1’500 Teilnehmende. Im Fokus stehen die Versorgung Betroffener und Angehöriger im Alltag sowie News aus der Forschung.

Internationale Vorbilder Seit dreissig Jahren trifft sich die internationale Community von ALS-Fachpersonen alljährlich an einem Kongress. Dieses Jahr erstmals nach Basel. Es werden rund 1’500 Gäste erwartet. Der Kongress biete vielerlei Gelegenheit, von internationalen Vorbildern zu lernen, sagt Andrea Wetz, Geschäftsleiterin des Vereins ALS Schweiz. Der Anlass besteht aus zwei Teilen:

1) Allied Professionals Forum (APF), 4. und 5. Dezember 2023 – Weiterbildungsforum für Gesundheitsfachleute aus den Bereichen Pflege, Physio- und Ergotherapie, Logopädie, Ernährungsberatung, Sozialarbeit u.a.m.
2) International Symposium on ALS/MND, 6. bis 8. Dezember 2023 – international die bedeutendste wissenschaftliche Veranstaltung über ALS und verwandte Erkrankungen.

Bedeutende Schweizer Forschung Etwa zwei bis drei Personen auf 100’000 erkranken jedes Jahr neu an ALS. Entgegen dem Vorurteil, es werde nicht viel geforscht über ALS, ist das Interesse grösser denn je. Denn ALS-Forschung könnte der Behandlung viel häufigerer neurologischer Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson helfen. Auch in der Schweiz wird viel über ALS geforscht. So präsentiert etwa Magdalini Polymenidou, Professorin für Biomedizin der Universität Zürich eine Studie, die zeigt, dass bei ALS das Protein namens TDP-43 schädliche Ablagerungen im Gehirn bildet.

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) Unheilbare Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystem mit tödlichem Verlauf. In der Schweiz sind etwa 600 Menschen von ALS betroffen, weltweit ca. 400’000. Sehr belastend für die Angehörigen ist es, wenn sich beim Betroffenen eine sogenannte frontotemporale Demenz ausbildet und sich die Persönlichkeit verändert. Dieser Aspekt von ALS war noch vor wenigen Jahren ein Tabu. Der Kongress trägt dazu bei, solche Tabus aufzulösen und die Versorgung von Betroffenen und Angehörigen zu verbessern #ALSMNDWithoutBorders #ALS #SLA #MND

Verein ALS Schweiz Unterstützung von Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und ihren Angehörigen, mit 1) Hilfsmittel-Leihservice, 2) Sozialberatung, 3) Direkthilfe in finanzieller Notlage u.a.m.

Bildlegende Die Nervenkrankheit ALS erfordert eine multidisziplinäre Begleitung, um die Lebensqualität der Betroffenen so gut wie möglich zu erhalten. Im Bild: Manuel Arn mit einer Therapeutin (Bild: © Verein ALS Schweiz, 2021).

ALS-PFLEGEFORUM IN BASEL #4

Im vierten Teil unserer Reihe mit Ursula Schneider vom St. Galler Muskelzentrum erzählt die Pflegeexpertin und Study Nurse, wie sie zum Thema ALS kam; und was sie dabei
bleiben lässt.

Wie kamen Sie zum Thema ALS? Ich arbeitete auf der Intensivstation und suchte einen geregelten Job. Das war vor fünfzehn Jahren. Von ALS hatte ich keine Ahnung, das war
nicht Bestandteil meiner Ausbildung. Ich wurde damals von Bea Goldman ins Fach eingeführt. Sie hatte sich ihr Wissen selbst angeeignet und wir handhaben es bis heute
so; vermitteln unser Wissen in der Praxis weiter. Glücklicherweise gibt es inzwischen einen Schwerpunkt Neurologie in der Ausbildung.

Warum blieben Sie so lange bei diesem Thema? Ich denke mich gern in die sehr verschiedenen Situationen der Menschen ein, die mir begegnen. Inzwischen habe ich
viel Erfahrung und hoffe, ich kann sie gut abholen. Ausserdem bin ich hier nahe an der Forschung. Wir sind hier am Muskelzentrum St. Gallen ganz von Anfang einer Studie bis
zu ihrer Publikation dabei. Das ist aussergewöhnlich in der Krankenpflege, zumal ALS eine Nische ist.

Anfang Dezember findet in Basel die grösste ALS-Pflegeveranstaltung der Welt statt,
das Allied Professionals Forum. Worauf freuen Sie sich? Es ist wie ein Clan, wie eine grosse Familie. Alle brennen dort für ALS-Patienten, ich hätte das nie für möglich
gehalten früher. Klar, auch bei anderen Krankheitsbildern sind die Fachpersonen engagiert, aber ich habe den Eindruck, bei ALS sei es besonders stark. Vielleicht, weil
es eine Randgruppe ist, weil diese Menschen kaum eine Lobby haben. Womöglich auch, weil man diese Krankheit nicht heilen kann und alle einfach das Beste für die Betroffenen
und Angehörigen rausholen will. Nicht zuletzt spielt bei ALS auch der zeitliche Faktor hinein, es ist tragisch, wie schnell diese Krankheit zum Tod führen kann. Und ALS ist
eine hochspezifische Krankheit. Entweder man bleibt dabei oder man geht wieder.

Grösste ALS-Pflegeveranstaltung der Welt
4. und 5. Dezember 2023, Allied Professionals Forum (APF), Mövenpick Hotel, 4002 Basel

> Anmeldung und weitere Infos

ALS-Pflegeforum in Basel #3

Teil drei unserer Gesprächsreihe mit Pflegeexpertin Ursula Schneider vom Muskelzentrum St. Gallen; diesmal über die Besonderheiten der Krankheit ALS und darüber, was Angehörige wissen müssen.

Was kennzeichnet die Krankheit ALS? Es ist ein «Turbo-Alterungsprozess», mit Interventionen, die eine grosse Herausforderung Betroffene, ihr Umfeld sowie Fachpersonen sind, wie zum Beispiel die Handhabung einer PEG-Sonde zur künstlichen Ernährung durch die Bauchdecke oder eine Beatmung. Nicht von ungefähr ist von der «Krankheit der 1’000 Abschiede» die Rede. Es gibt nicht viele chronisch degenerative, schwere Krankheiten, welche einen so aus dem Leben reissen wie ALS. Und die Krankheit verläuft progredient, das heisst es wird kontinuierlich schlechter, man  muss sich dauernd anpassen. Überraschenderweise zeigen Studien, dass die Betroffenen ihre Lebensqualität viel besser einschätzen, als man erwarten würde.

Und die Angehörigen? Viele sind völlig erschöpft. Nicht selten entsteht auch eine Wut auf die Krankheit. Als Angehöriger ist man oft allein mit allem und weiss, dass einem der Partner genommen wird. Am belastendsten ist es, wenn sich beim Betroffenen eine sogenannte frontotemporale Demenz ausbildet und sich die Persönlichkeit verändert. Typisch sind zum Beispiel eine Enthemmung oder ein komplettes Desinteresse am Gegenüber. Dieser Aspekt von ALS war noch vor wenigen Jahren ein Tabu. Angehörige müssen sich unbedingt Freiräume schaffen.

Was fehlt den Angehörigen? Es gibt kaum Angebote für ihre Entlastung. Ein grosses Thema sind die Nächte. Viele sind berufstätig, lagern den Partner mehrmals in der Nacht um und prüfen den Sitz der Sauerstoffmaske, wenn der Betroffene beatmet wird. Nacht für Nacht. Am Morgen wäscht zwar oft die Spitex den Betroffenen und kleidet ihn an, aber dann beginnt der Tag erst. Später muss jemand das Essen eingeben, beim Schnäuzen helfen und beim Toilettengang dabei sein. Und es gibt Betroffene, die ihre Situation partout nicht wahrhaben wollen; keine fremde Pflege zulassen und keine Hilfsmittel akzeptieren.

Die St. Galler ALS Clinic gehört zum nationalen Netzwerk neuromuskulärer Zentren Myosuisse. Was gefällt Ihnen besonders gut dort? Dass bei uns Pflege und Forschung aus einer Hand kommen. Wir sehen die Menschen von Anfang an, wenn sie noch gesund sind und den ganzen Krankheitsverlauf hindurch. Das geht einem nahe und zugleich ist es auch schön. Denn wir lernen sie und ihre Angehörigen sehr gut kennen. Und wir verstehen immer tiefer, was ALS mit den Betroffenen und den Angehörigen macht.

> Alle Infos zum Internationalen Kongress

Im Gedenken an Elisabeth Zahnd

Elisabeth Zahnd ist vierfache Mutter und 60-jährig, als sie erfährt, dass sie ALS hat. Während viele zum ersten Mal von der tödlichen Nervenkrankheit hören, wenn sie davon betroffen sind, wusste Elisabeth Zahnd, was auf sie zukommen würde. Ihr Vater war von der unheilbaren Krankheit betroffen und auch ihr Bruder.

Viele Male waren wir bei Zahnds zu Besuch und durften mit der Oltner Videocrew VJii Productions zwei Clips über ihr Schicksal mit ALS aufnehmen. Es entstanden berührende Einblicke in eine Familie, die jeden Tag neu lebt. Das Unvermeidliche klar vor Augen. In einem der beiden Clips sagt Elisabeth Zahnd, es gelte jeden Tag, Abschied zu nehmen. Bewusst.

Nun ist Elisabeth Zahnd im Alter von 65 Jahren verstorben. Wir entbieten der Trauerfamilie von ganzem Herzen unseren Wunsch, ihre Erinnerungen an gemeinsame Stunden mögen ihnen zum Trost gereichen. Wir behalten eine lebensfrohe Frau in Gedenken, die uns offen im Kreis ihrer Liebsten empfing.

Elisabeth Zahnd, 17. September 1958 bis 25. Oktober 2023