EINE WELTWEITE COMMUNITY HÄLT AN IHREN ZIELEN FEST

Walter Brunner eröffnete das diesjährige ALS-Symposium in Basel und fokussierte zwei Aspekte: Die Situation Schweizer ALS-Betroffener und die Ziele der ALS-Community seit ihrer Entstehung vor über dreissig Jahren.

Versorgungslücken Trotz einer Vielzahl von Schweizer Organisationen für Menschen mit ALS gebe es grosse Lücken in der Versorgung Betroffener. So sei es fast unmöglich, einen Pflegeplatz für einen begrenzten Zeitraum zu finden, wenn die Betreuung zu Hause nicht mehr möglich sei. Auch bezüglich der Versorgung mit Palliative Care gebe es noch viel zu tun. Vor fünfzehn Jahren habe die Schweiz eine Strategie für Palliative Care lanciert und seither seien zahlreiche Massnahmen umgesetzt worden. Gleichwohl sei eine angemessene Finanzierung der Palliative Care noch immer nicht gesichert.

Community bleibt dran Menschen aus siebzehn Ländern seien im November 1992 in England zusammengekommen, um Ziele im Kampf gegen ALS zu vereinbaren. Sie hätten beschlossen, die Weltöffentlichkeit zu sensibilisieren, untereinander Information über das Management der Krankheit auszutauschen, die globale Forschung zu unterstützen und eine internationale Identität für Menschen mit ALS und Angehörige zu schaffen. Sei es damals eine überschaubare Anzahl Menschen gewesen, würden inzwischen 1’500 Personen aus der ganzen Welt am Symposium zusammenkommen. Aus mehr als vierzig Ländern. Es erscheine ihm richtig, dass die Ziele der ALS-Community dieselben geblieben seien, angesichts der Tatsache, dass die Krankheit ALS auch 150 Jahre nach ihrer Entdeckung tödlich verlaufe, weltweit Menschen dieses schwere Schicksal aufbürde und anderen abverlange, zu ertragen, wie ein geliebter Mensch vor ihren Augen sterbe. Denn es bedeute, dass die Community dranbleibe und durchhalte, auch wenn der Weg zum Ziel länger dauere, als man es sich wünsche.

Zur Veranstaltung Das International Symposium on ALS/MND ist die bedeutendste wissenschaftliche Veranstaltung über ALS und wird jährlich von der Motor Neurone Disease Association ausgerichtet.

Bildlegende Walter Brunner, Präsident Verein ALS Schweiz, an seiner Eröffnungsrede des 34th International Symposium on ALS/MND, 6. Dezember 2023, Congress Center Basel (Bild: © Verein ALS Schweiz, 2023).

ALS-PFLEGEFORUM IN BASEL #5

Im fünften und letzten Teil unserer Reihe mit Ursula Schneider vom St. Galler Muskelzentrum redet die ALS-Expertin über Palliative Care bei der tödlichen Nervenkrankheit und auch über Exit.

Was ist Palliative Care? Zunächst einmal die Betreuung von Menschen in schwerer oder unheilbarer Krankheit. Meine Erfahrung ist, dass es einfach gut läuft, sobald Palliative Care involviert ist; ich verstehe sie als Segen. Damit kann eine schöne Begleitung ermöglicht werden, die bis ganz am Schluss währt. Leider wird Palliative Care oft erst in den letzten Lebenstagen eines Menschen einbezogen, während das am besten so früh wie möglich der Fall wäre. Es ermöglicht eine ganz besondere Qualität in der Betreuung, die sich insbesondere durch eine Haltung von Würde dem Menschen gegenüber ausdrückt.

Warum sollte Palliative Care bei ALS früh einbezogen werden? Weil man einfach mehr Zeit hätte, sich kennenzulernen und die letzte Zeit eines Lebens bewusst zu gestalten. Palliative Care ist mehr als die Pflege sterbender Menschen. Es geht um Menschen in Ausnahmezuständen. Palliative Care kann auch heissen, dass man die Angehörigen entlastet.

Wie sieht es mit Exit und ALS aus? Es gehen nicht viele ALS-Betroffene mit Exit, auch dank Palliative Care, aber es kommt vor, dass jemand diesen Weg wählt. Für Angehörige kann es schwer sein, eine solche Entscheidung des Partners anzunehmen. Wenn jemand sagt, ich kann nicht mehr. Es ist hart, wenn es an der Tür klingelt und man weiss, jetzt lasse ich den Tod ins Haus und bleibe allein zurück.

Viele ALS-Betroffene haben Angst, zu ersticken Man muss wissen, dass 95 Prozent friedlich sterben. Aber man liest halt von Atemversagen und schliesst daraus, man ersticke. Diese Vorstellung ist natürlich bedrohlich, ganz klar, niemand will einen Todeskampf erleben.

ALS verkürzt die Lebenszeit massiv – was kann man tun? Im besten Fall kann man seinen Abschied gestalten und seine Hinterlassenschaft organisieren. Wir wissen alle, dass wir sterben, aber mit einer Krankheit wie ALS hat man das anders vor Augen. Ohne etwas schönreden zu wollen, es kann ein wertvoller Prozess sein, sich im Frieden von seinen Liebsten zu verabschieden.

Grösste ALS-Pflegeveranstaltung der Welt 4. und 5. Dezember 2023, Allied Professionals Forum (APF), Mövenpick Hotel, 4051 Basel

ALS-PFLEGEFORUM IN BASEL #4

Im vierten Teil unserer Reihe mit Ursula Schneider vom St. Galler Muskelzentrum erzählt die Pflegeexpertin und Study Nurse, wie sie zum Thema ALS kam; und was sie dabei
bleiben lässt.

Wie kamen Sie zum Thema ALS? Ich arbeitete auf der Intensivstation und suchte einen geregelten Job. Das war vor fünfzehn Jahren. Von ALS hatte ich keine Ahnung, das war
nicht Bestandteil meiner Ausbildung. Ich wurde damals von Bea Goldman ins Fach eingeführt. Sie hatte sich ihr Wissen selbst angeeignet und wir handhaben es bis heute
so; vermitteln unser Wissen in der Praxis weiter. Glücklicherweise gibt es inzwischen einen Schwerpunkt Neurologie in der Ausbildung.

Warum blieben Sie so lange bei diesem Thema? Ich denke mich gern in die sehr verschiedenen Situationen der Menschen ein, die mir begegnen. Inzwischen habe ich
viel Erfahrung und hoffe, ich kann sie gut abholen. Ausserdem bin ich hier nahe an der Forschung. Wir sind hier am Muskelzentrum St. Gallen ganz von Anfang einer Studie bis
zu ihrer Publikation dabei. Das ist aussergewöhnlich in der Krankenpflege, zumal ALS eine Nische ist.

Anfang Dezember findet in Basel die grösste ALS-Pflegeveranstaltung der Welt statt,
das Allied Professionals Forum. Worauf freuen Sie sich? Es ist wie ein Clan, wie eine grosse Familie. Alle brennen dort für ALS-Patienten, ich hätte das nie für möglich
gehalten früher. Klar, auch bei anderen Krankheitsbildern sind die Fachpersonen engagiert, aber ich habe den Eindruck, bei ALS sei es besonders stark. Vielleicht, weil
es eine Randgruppe ist, weil diese Menschen kaum eine Lobby haben. Womöglich auch, weil man diese Krankheit nicht heilen kann und alle einfach das Beste für die Betroffenen
und Angehörigen rausholen will. Nicht zuletzt spielt bei ALS auch der zeitliche Faktor hinein, es ist tragisch, wie schnell diese Krankheit zum Tod führen kann. Und ALS ist
eine hochspezifische Krankheit. Entweder man bleibt dabei oder man geht wieder.

Grösste ALS-Pflegeveranstaltung der Welt
4. und 5. Dezember 2023, Allied Professionals Forum (APF), Mövenpick Hotel, 4002 Basel

> Anmeldung und weitere Infos

ALS-Pflegeforum in Basel #3

Teil drei unserer Gesprächsreihe mit Pflegeexpertin Ursula Schneider vom Muskelzentrum St. Gallen; diesmal über die Besonderheiten der Krankheit ALS und darüber, was Angehörige wissen müssen.

Was kennzeichnet die Krankheit ALS? Es ist ein «Turbo-Alterungsprozess», mit Interventionen, die eine grosse Herausforderung Betroffene, ihr Umfeld sowie Fachpersonen sind, wie zum Beispiel die Handhabung einer PEG-Sonde zur künstlichen Ernährung durch die Bauchdecke oder eine Beatmung. Nicht von ungefähr ist von der «Krankheit der 1’000 Abschiede» die Rede. Es gibt nicht viele chronisch degenerative, schwere Krankheiten, welche einen so aus dem Leben reissen wie ALS. Und die Krankheit verläuft progredient, das heisst es wird kontinuierlich schlechter, man  muss sich dauernd anpassen. Überraschenderweise zeigen Studien, dass die Betroffenen ihre Lebensqualität viel besser einschätzen, als man erwarten würde.

Und die Angehörigen? Viele sind völlig erschöpft. Nicht selten entsteht auch eine Wut auf die Krankheit. Als Angehöriger ist man oft allein mit allem und weiss, dass einem der Partner genommen wird. Am belastendsten ist es, wenn sich beim Betroffenen eine sogenannte frontotemporale Demenz ausbildet und sich die Persönlichkeit verändert. Typisch sind zum Beispiel eine Enthemmung oder ein komplettes Desinteresse am Gegenüber. Dieser Aspekt von ALS war noch vor wenigen Jahren ein Tabu. Angehörige müssen sich unbedingt Freiräume schaffen.

Was fehlt den Angehörigen? Es gibt kaum Angebote für ihre Entlastung. Ein grosses Thema sind die Nächte. Viele sind berufstätig, lagern den Partner mehrmals in der Nacht um und prüfen den Sitz der Sauerstoffmaske, wenn der Betroffene beatmet wird. Nacht für Nacht. Am Morgen wäscht zwar oft die Spitex den Betroffenen und kleidet ihn an, aber dann beginnt der Tag erst. Später muss jemand das Essen eingeben, beim Schnäuzen helfen und beim Toilettengang dabei sein. Und es gibt Betroffene, die ihre Situation partout nicht wahrhaben wollen; keine fremde Pflege zulassen und keine Hilfsmittel akzeptieren.

Die St. Galler ALS Clinic gehört zum nationalen Netzwerk neuromuskulärer Zentren Myosuisse. Was gefällt Ihnen besonders gut dort? Dass bei uns Pflege und Forschung aus einer Hand kommen. Wir sehen die Menschen von Anfang an, wenn sie noch gesund sind und den ganzen Krankheitsverlauf hindurch. Das geht einem nahe und zugleich ist es auch schön. Denn wir lernen sie und ihre Angehörigen sehr gut kennen. Und wir verstehen immer tiefer, was ALS mit den Betroffenen und den Angehörigen macht.

> Alle Infos zum Internationalen Kongress

ALS-PFLEGEFORUM IN BASEL #2

Teil zwei unserer Gesprächsreihe mit Pflegeexpertin Ursula Schneider vom Muskelzentrum St. Gallen über die Krankheit ALS und das Allied Professionals Forum, der grössten Veranstaltung der Welt über Pflege und Therapie bei ALS.

ALS verläuft zumeist innert weniger Jahre tödlich, wie erleben Sie die Betroffenen? Die Diagnose ALS verändert alles; nichts bleibt, wie es war. Es ist ein schwerer Schlag für Betroffene und Angehörige. Umso erstaunlicher ist es, wie gut die Betroffenen zurechtkommen und in die neue Lebenssituation hineinwachsen. So geht der Daumen oft nach oben, wenn ich zum Beispiel Betroffene, die nicht mehr sprechen können, frage, wie es ihnen geht. Es sind meistens umtriebige Menschen, die ihr Zuhause und ihr Umfeld neu entdecken, Geborgenheit geniessen. Und auch Zeit für Natur und Kultur finden.

Wie ist es für die Angehörigen? Für sie ist es komplett anders. Oft schätzen sie die Verfassung des erkrankten Angehörigen viel schlechter ein als dieser selber. Und erleben die Progression, Tag für Tag. Wissen von der Diagnose an, dass sie zurückbleiben. Rennen dem teilweise rasanten Krankheitsverlauf hinterher und leisten sehr viel. Bei der Pflege und Betreuung, der Administration mit IV und Krankenkasse und der Organisation von Hilfsmitteln etc. Viele sind völlig erschöpft.

Was gibt beiden Seiten Kraft? Die Familie ist sehr wichtig; sie kann enorm viel tragen und ertragen. Und Freunde. In solchen Situationen kommt man darauf zurück. Pflegende Angehörige müssen sich Freiräume schaffen. Für Entlastung sorgen. Um Kraft zu tanken für den Alltag.

Was bietet Ihnen das ALS-Pflegeforum in Basel? Den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt; ich erfahre von den neusten Entwicklungen meines Fachs. Noch vor wenigen Jahren zum Beispiel war das Thema tabu, dass bei ALS auch das Gehirn betroffen sein kann. Aber viele ALS-Betroffene entwickeln eine Form von frontotemporaler Demenz und verlieren ihre Empathie. Sie merken nicht, was Angehörige leisten und fragen nicht, wie es ihnen geht. Es ist eine Veränderung der Persönlichkeit. Eine grosse Herausforderung für die Angehörigen. Heute ist das Thema auf dem Tisch. Das hilft uns, Angehörige zu unterstützen, das richtig einzuordnen. Dazu tragen Veranstaltungen wie das Allied Professionals Forum bei.

Ursula Schneider Rosinger ist Pflegeleiterin und Studienkoordinatorin am Muskelzentrum des Kantonsspitals St. Gallen

Allied Professionals Forum

Programm und Anmeldung
Early Bird vergünstigter Preis bis am 27.10.2023
Simultanübersetzung Deutsch und Französisch
Veranstaltungsort Mövenpick Hotel Basel, Aeschengraben 25, CH-4002 Basel

ALS-PFLEGEFORUM IN BASEL #1

Am 4. und 5. Dezember 2023 findet in Basel das Allied Professionals Forum (APF) statt, die weltweit grösste Veranstaltung rund um Pflege und Therapie bei ALS. Der Verein ALS Schweiz hat Pflegeexpertin Ursula Schneider vom St. Galler Muskelzentrum getroffen, die im Komitee des Pflegeforums ist.

Für wen ist das Allied Professionals Forum wichtig? Für alle Pflegefachpersonen und Therapeutinnen, die im Kontakt mit ALS-Betroffenen sind. Der Austausch auf internationalem Level kommt einem als Fachperson und auch den Betroffenen zugute. Ich erlebe das Forum immer als Weiterentwicklung. Die Wege sind kurz, man kann sich mit Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt austauschen, das ist sehr wertvoll.

Was erhoffen Sie sich vom APF? Neue Inputs in der Pflege. Man muss hier dabei sein, wenn man Bescheid wissen will. Niemand überblickt alles, das weltweit läuft. Es gibt beispielsweis Untersuchungen in Spitälern, von denen man erst erfährt, wenn sie publiziert sind. Oft geht es dort um spezifische Themen, die eines Tages einen Unterschied für ALS-Betroffene machen könnten. Hier erfährt man die relevanten Ergebnisse.

Ihr persönliches Highlight? Ganz klar der Austausch mit den anderen. Die Studienzentren zum Beispiel sind alle unterschiedlich organisiert, da nehme ich jedes Jahr etwas mit, das mir besonders auffällt. Etwas, das mich inspiriert, es auch bei uns zu versuchen. Und: mein Engagement für die Betreuung von ALS-Betroffenen wird immer aufs Neue gestärkt.

Ursula Schneider Rosinger ist Pflegeleiterin und Studienkoordinatorin am Muskelzentrum/ALS clinic des Kantonsspitals St. Gallen, kssg.ch/muskelzentrum

Allied Professionals Forum

Programm und Anmeldung
Early Bird Jetzt anmelden und bis am 27.10.2023 von einem vergünstigten Preis profitieren
Simultanübersetzung Die Beiträge des Allied Professionals Forum werden simultan auf Deutsch und Französisch übersetzt
Veranstaltungsort Mövenpick Hotel Basel, Aeschengraben 25, CH-4002 Basel